Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Team trotz unterschiedlicher Arbeitsstile?
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Wenn Kollegen anders ticken

Von strukturiert bis chaotisch reichen die Arbeitsstile in einem Team. Wie ist trotzdem eine gute Zusammenarbeit in einem anregenden Klima möglich? Mit dem richtigen Ansatz und den passenden Kommunikationsmitteln gelingt es, einen produktiven Umgang mit diesen Unterschieden zu finden. Praxistipps und Hintergründe dazu.

Schon wieder hat Markus den Termin verpasst, um die technische Zeichnung der neuen Maschine einzureichen. Angela rauft sich die Haare. Sie ist als Projektleiterin verantwortlich dafür, dass die einzelnen Meilensteine termingerecht erreicht werden. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Markus ermahnen muss – ganz im Gegenteil. Es scheint geradezu zur Routine zu werden, dass sie seine unzuverlässige Art ausbügeln muss. Auch andere Teammitglieder zeigen Verhaltensweisen, die nicht ihren Vorstellungen von effizienter Zusammenarbeit entsprechen, und über die sie sich zunehmend ärgert. Was soll Angela bloss tun, wenn sich die Arbeitsstile so grundsätzlich unterscheiden? Wie ist trotzdem eine fruchtbare Zusammenarbeit mit einem guten Gefühl möglich?

Teamorientierte Arbeitsformen stellen eine strategische Antwort auf die aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt dar: Sie sind geeignet für ein dynamisches, wenig hierarchieorientiertes Umfeld, wie es in agilen und innovationsgetriebenen Organisationen immer häufiger wird. Dabei ist das Formieren von Gruppen ein evolutionär bedingtes Verhalten, das vielfältige Vorteile bringt. Die nahe Zusammenarbeit mit anderen Menschen kann aber zur Herausforderung werden, wenn die Arbeitsstile sehr unterschiedlich sind.

Unterschiedlichkeit im Team positiv wertschätzen

Homogene Teams aus Mitgliedern mit ähnlichen Einstellungen entwickeln eine gemeinsame Sprache, eine «gemeinsame Realität». Sie fördert den Zusammenhalt und eine häufige Kommunikation. Gleichzeitig hat die Forschung gezeigt, dass Teams aus Mitgliedern mit unterschiedlichen Persönlichkeiten kreativer in ihren Entscheidungsprozessen sind und vielfältiger auf Kundenbedürfnisse eingehen können. Grund dafür sind die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen. Teamleiter sollten deshalb ein Klima ermöglichen, das Unterschiedlichkeit positiv bewertet. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass in Teams mit hoher Diversität der Findungsprozess und das Produktivwerden länger dauern.

Teamentwicklungs-Meetings können helfen, die Kommunikation zu verbessern, den Zusammenhalt zu stärken und effektiv mit Spannungen umzugehen. Mittel- und langfristig wird das Team die tiefergehenden Vorteile seiner unterschiedlichen Zusammensetzung erkennen und fähig sein, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Verhalten der einzelnen Mitglieder produktiv zu reagieren.

Tipps für die Praxis

  • Sorgen Sie dafür, dass das Team verschiedenartig zusammengesetzt ist. Verschiedene Perspektiven in einem Team zusammenzubringen kann hohe Kreativität und Innovationsfähigkeit erzeugen.
  • Geben Sie dem Team genug Zeit, sich zu formieren. Unterstützen Sie es, untereinander Beziehungen herzustellen und die diversen Perspektiven darin zu integrieren.
  • Ermutigen und belohnen Sie positive Einstellungen gegenüber Diversität, so dass die Teammitglieder bereit sind, die Unterschiede auszuloten und wertzuschätzen.

Wie mit unterschiedlichen Arbeitsstilen umgehen

Um auch mit unterschiedlichen Arbeitsstilen zu einem «Dream Team» zu werden, sollten positive, tragfähige Arbeitsbeziehungen zwischen den einzelnen Teammitgliedern aufgebaut werden. Auf dieser Basis lassen sich die Rollen und Zusammenarbeitsformen so gestalten, dass die Fähigkeiten und Stärken der Mitglieder optimal zur Zielerreichung beitragen. Die Schwächen treten dabei idealerweise in den Hintergrund.

Wenn zum Beispiel ein Teammitglied eine Schwäche darin hat, systematisch zu denken und zu strukturieren, ist es nicht sinnvoll, es mit dem Konzipieren einer Projektablage zu beauftragen. Vielleicht aber hat dieselbe Person immer wieder überraschende Ideen, wie das Projekt vorangetrieben oder optimiert werden könnte. Deshalb benötigt sie einen Ort, wo sie diese Themen deponieren kann. Wo dieser Ort ist – auf der Traktandenliste des nächsten Teammeetings, in einem speziellen Ordner oder in einem gemeinsamen Notizbuch – kann wiederum besser jemand bestimmen, der über gute organisatorische und planerische Fähigkeiten verfügt.

Verpasst Markus immer wieder seine Termine, könnte es sinnvoll sein, dass sich Angela als Teamleiterin ein paar Tage vorher freundlich bei ihm erkundigt, wie der Stand seiner Arbeit ist. Sie braucht dabei die Verantwortung für Markus’ Aufgabe nicht zu übernehmen, sondern kann ihn vielleicht dank ihrer besser ausgeprägten Organisationsfähigkeit dabei unterstützen, den nächsten Termin im Auge zu behalten.

Tipps für die Praxis

  • Sprechen Sie im Team explizit darüber, auf welche Weise und mit welchen Instrumenten Sie zusammenarbeiten möchten:
    • Welche Kontaktzeiten sind möglich?
    • Für welche Informationen gilt Hol- oder Bringschuld?
    • Welche Kommunikationswege gibt es?
    • Wie häufig wird kommuniziert?
    • Welche Reaktionszeiten werden erwartet?
    • Wie wird mit Störungen der Beziehungen umgegangen (Konfliktmanagement)?
  • Planen Sie regelmässige Reflexionen der Kooperation ein:
    • Wie zufrieden sind wir mit unserer Teamleistung?
    • Wie gut können sich die einzelnen Teammitglieder einbringen?
    • Wie gut wird die Zusammenarbeit eingeschätzt?

Digitale Kommunikationsmittel richtig einsetzen

Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Arbeitsstilen kann auch in Organisationen mit mobiler und flexibler Arbeit gut gelingen. Die Wahl der richtigen digitalen Kommunikationsmittel für die Zusammenarbeit ist dabei von besonderer Bedeutung, damit die relevanten Handlungsstrategien umgesetzt werden können. Im Speziellen sollten folgende Funktionalitäten gegeben sein:

  • Sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeitenden die passende Technologie (Hard- und Software) für das mobil-flexible Zusammenarbeiten zur Verfügung gestellt bekommen.
  • Legen Sie im Voraus fest, mit welchen digitalen Kommunikationsmitteln gearbeitet werden soll, also welche Art von Information auf welchem Kanal ausgetauscht wird. Ein Beispiel: gemeinsame Notizbücher für das laufende Monitoring der gemeinsamen Arbeit, Chat für schnelle und transparente Kommunikation im Team, gemeinsamer Cloud-Speicher für die Ablage von Dokumenten.
  • Die Kontakt- und Reaktionszeiten sollten im Voraus geregelt und die aktuelle Erreichbarkeit online ersichtlich sein (Anwesenheitsstatus). Das schafft Verbindlichkeit und Vertrauen.
  • Für Teammeetings sollten Videokonferenzen möglich sein, da die nonverbale Kommunikation ein wichtiger Bestandteil für Beziehungsaufbau und -pflege ist.
  • Die Kommunikationsmittel sollten transparent machen, wer wie stark ausgelastet ist und an welchen Aufgaben arbeitet. Damit beugen sie allfälligen Gefühlen der Ungerechtigkeit der Arbeitsverteilung und damit verbundenem Widerstand gegen das digitale Zusammenarbeiten vor.
  • Präsenz wird bei digitaler Zusammenarbeit zum knappen Gut. Sorgen Sie deshalb für Möglichkeiten, über Distanz informell miteinander kommunizieren zu können, zum Beispiel mit einem «Virtuellen Café», damit auch Spontanes und Privates ausgetauscht werden kann.

Verlassen Sie sich nicht ausschliesslich auf die digitale Kommunikation. Ermöglichen Sie Live-Meetings, vor allem für die Reflexion der Zusammenarbeit und falls es Konflikte wegen unterschiedlicher Arbeitsstile gibt.

Hintergrund: Was unser Verhalten steuert

Das Verhalten aus psychologischer Sicht verstehen

Der erste Schritt, um sich mit Unterschiedlichkeiten produktiv auseinanderzusetzen, ist, ein psychologisches Verständnis des Verhaltens zu entwickeln. Wenn ein Mensch etwas tut, sind immer drei Ebenen involviert:

  • Unsichtbare innere Prozesse wie Ziele, Absichten, Motivationen, Gefühle, Empfindungen, Gedanken, Urteile und Wahrnehmungen begleiten das von aussen sichtbare Verhalten.
  • Dieses Verhalten wird dabei von der Umwelt, also vom Kontext, mitbestimmt: Es gibt für eine Aufgabe zeitliche und räumliche Vorgaben wie zum Beispiel Termine oder mögliche Arbeitsorte. Auch das soziale Umfeld spielt eine wichtige Rolle und die allgemeine Lebenssituation. Die körperliche Verfassung oder die finanzielle Situation einer Person beeinflussen das Verhalten ebenfalls.
  • Neben der Umwelt spielen die Merkmale der Persönlichkeit eine entscheidende Rolle: Charaktereigenschaften, Stärken und Schwächen, Werte, Motive, das Bild von sich selbst sowie frühere Lebenserfahrungen.

Versteht man das eigene Verhalten und dasjenige der Mitarbeiter auf diese Weise, wird etwas unmittelbar klar. Man muss Abschied nehmen von der Vorstellung, es gäbe eine bestimmte Art und Weise der Zusammenarbeit, die alle Teammitglieder gleichermassen als optimal sehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich jeder Mensch seine Welt aus sich heraus konstruiert und für die Erfüllung der Aufgaben an der Arbeit einen genuinen, für ihn selbst sinnvollen «besten Weg» findet.

Menschen sind lebende Systeme und im Gegensatz zu den von ihnen konstruierten Maschinen nicht «trivial»: Ein und derselbe Input, zum Beispiel die Vorgabe eines spezifischen Ziels innerhalb eines Projekts, löst bei allen Teammitgliedern verschiedene innere Prozesse aus, die zu unterschiedlichem Verhalten führen.

Für unsere Fragestellung, wie mit unterschiedlichen Arbeitsweisen umgegangen werden kann, ist daher die erste Konsequenz die Einsicht, dass es zwischen Menschen keine Objektivität gibt, und dass Zusammenarbeit das Schaffen einer gemeinsamen Realität bedeutet. Der Erfolg dieses Vorhabens wird dabei wesentlich von der Qualität der Beziehungen im Team bestimmt.

Zugehörigkeit und Akzeptanz als wichtige Motive für Teamarbeit

Team-Designs in heutigen Organisationen sind noch immer häufig nach traditionellen «Lean Production»-Kriterien gestaltet. Sie verpassen es damit, zu berücksichtigen, wie überwältigend wichtig das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit als Motivationsfaktor ist. Persönlichkeit und soziales Verhalten als Erwachsene werden durch unseren Bindungsstil in der Kindheit geformt. Eine produktive Teamzugehörigkeit charakterisiert sich durch einen freundlichen, akzeptierenden und zwischenmenschlichen Beziehungsstil. Dieser sollte geprägt sein durch gegenseitigen Respekt, die Wahrnehmung der Bedürfnisse und Anliegen der anderen Teammitglieder sowie durch ein ernsthaftes Interesse an deren Wohlergehen.

In kurzlebigen Projektteams oder bei Mitarbeitern, die in verschiedenen Teams gleichzeitig oder in nur virtuellen Teams arbeiten, können sich einzelne Mitglieder einsam fühlen. Es entsteht kein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Eine Möglichkeit, solchen Problemen zu begegnen, ist es, intensives Teamwork zu ermöglichen. Dadurch können in neu gebildeten Teams eine starke Identifikation, die kooperativen Ziele sowie die Loyalität schnell wachsen. Hier können frühe Gewinne realisiert werden, um Bindung herauszubilden.

Tipp für die Praxis

Kreieren sie Teams mit mindestens moderat stabiler Zusammensetzung. Das ermöglicht kollegiale und nahe Beziehungen, die charakterisiert sind durch gegenseitiges Vertrauen und «Commitment».

Positive Beziehungen im Team fördern

Beziehungen sind eine potente Quelle sowohl der Freude als auch des Elends. Menschen haben einen angeborenen Antrieb, lange dauernde und starke Bindungen mit anderen einzugehen, in denen sie Gefühle der Zugehörigkeit und Akzeptanz suchen. Beziehungen sollten vier Charakteristiken haben, um unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu erfüllen:

  1. Häufige Interaktion mit wenigen Menschen. Im Arbeitskontext lässt sich das mit physischer Nähe erreichen oder zumindest durch virtuellen Kontakt mittels Telekommunikation.
  2. Beziehungen mit anderen sollten über längere Zeit stabil sein und Kontinuität ermöglichen. Solche Teams werden zu sogenannten «selbstkorrigierenden Leistungseinheiten», in denen die Mitglieder das Verhalten der anderen voraussehen und koordinieren, um als kollaboratives Ganzes zu funktionieren.
  3. Beziehungen sollten frei sein von chronischen persönlichen Konflikten. Während es für optimale «Performance» wesentlich sein kann, aktuelle Konflikte zuzulassen und zu lösen, unterminieren andauernde Spannungen die Teamzufriedenheit.
  4. Beziehungen sollten von einem gegenseitigen Geben und Nehmen geprägt sein sowie von überwiegend angenehmen Gefühlen.

Tipps für die Praxis

  • Ermöglichen Sie positive, freundschaftliche Beziehungen in Teams.
  • Intervenieren Sie, um Konflikte zu lösen, welche Gefahr laufen, sich zu verfestigen
  • Stellen Sie regelmässige und positive Teammeetings sicher, um die Mitglieder zu ermuntern, sich zu unterstützen und einander zu helfen.

Fazit: Stärken im Team fördern

Unterschiedliche Arbeitsstile sind kein «Unfall», sondern der Normalfall. Bloss auf Defizite in der Teamarbeit zu fokussieren, ist aber weder adäquat noch hilfreich für Teams im heutigen dynamischen Arbeitsumfeld. Durch die Integration traditioneller Theorien mit den Erkenntnissen der Positiven Psychologie kann Teamarbeit als Mittel zur Entwicklung persönlicher Stärken und zur Förderung des Wohlbefindens an der Arbeit gesehen werden. Diversität im Allgemeinen wie unterschiedliche Arbeitsstile im Speziellen werden darin als Gegebenheit angesehen, die positiv bewertet und so gut als möglich genutzt respektive berücksichtigt werden sollte. Positives Teamwork kann Organisationen dazu verhelfen, Lernen und Kreativität zu fördern, Altruismus zu stärken und in letzter Konsequenz das tiefliegende menschliche Bedürfnis, mit anderen zu arbeiten, als sinnvoll und erfüllend zu erleben. Dabei gehen positives menschliches Funktionieren und finanzieller Erfolg Hand in Hand und müssen nicht länger als Gegensätze oder «trade offs» verstanden werden.


Referenzen:

Richardson, J., & West, M. (2010). Dream teams: A positive psychology of team working. In Linley, A; Harrington, S & Page, N. (Eds.), Oxford handbook of positive psychology and work. New York: Oxford University Press.

Forschungsbericht zur Gestaltung mobil-flexibler Arbeit in mittleren und grossen Unternehmen.

 

Autor:

Stefan BrülhartStefan Brülhart, lic. phil. Psychologe FSP, berät und coacht Unternehmen, Fach- und Führungskräfte sowie Privatpersonen, damit diese auf ihren Stärken aufbauend Produktivität und Lebensqualität optimieren können.

 

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