Perfektionismus, der Feind des Guten: Tipps zur Arbeitsorganisation
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Perfektionismus, der Feind des Guten

Aus gesellschaftlicher Sicht ist das Streben nach Perfektion verständlich, ja sogar oft wünschenswert. Viele Leistungen von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Künstlern, über die wie heute noch staunen, wären ansonsten nie möglich geworden. Aus ökonomischer und auch aus psychologischer Sicht ist Perfektionismus hingegen meist eher ein Übel. Erfahren Sie anhand praktischer Beispiele aus dem Alltag, wann Perfektion zum Zeitfresser wird und uns daran hindert, optimal mit unserer Zeit umzugehen. Und wie Sie gut statt perfekt arbeiten.

Wenn ich schlanker, schöner, reicher, klüger wäre, dann wäre ich auch glück­licher. Das ist ein Trugschluss, der heute sehr viele Menschen krank und unglücklich macht. Der scheinbar unsterbliche Mythos vom perfekten Leben ist eine gefährliche Illusion, die Energie bindet, anstatt Kraft zu geben.

Das Streben nach Perfektion ist sehr weit verbreitet und wird in unseren Breitengraden auch anerzogen. Bereits früh im Leben lernen wir: Wer seine Haus­auf­gaben gut löst, schön schreibt, fehler­frei rech­net und sich im Sport anstrengt, wird gelobt und erhält gute Noten. Und später: Wer sich im Beruf überdurch­schnittlich einsetzt, wird befördert, erhält eine Lohnerhöhung, mehr Anerkennung und meist mehr Macht.

Aus dem «Gefängnis» der Perfektion ausbrechen

Leider bewirkt das Streben nach Perfektion in der Praxis oft genau das Gegenteil. Der Idealzustand, den Perfek­tion­isten anstreben, ist im Leben meist genauso eine Utopie wie im Zeitmanagement. Sehr häufig gehen Perfektionismus und «Aufschieberitis» nämlich Hand in Hand. In ihrem Perfektionismus gefan­gen, hindert es Menschen daran, Ihre Arbeit abzuliefern, weil sie stets das Gefühl haben, dass ihre Leistung nicht gut genug ist, um den (oft überzogenen) eigenen und (oft eingebildeten) fremden Ansprüchen zu genügen. Deshalb kann Perfektionismus auch ein Verhinderer sein (Cerenek, o.J.).

Zusammengefasst kann (übertriebener) Perfektionismus folgende Nachteile haben:

  • Mehr oder weniger ausgeprägte Angst vor Neuem.
  • Nervosität und eine unangenehme Grundspannung.
  • Ignoranz gegenüber anderen oder Besserwisserei.
  • Übertriebene Selbstanforderungen reduzieren Lebensfreude.
  • Aus Angst vor Fehlern oft wenig Mut zu Kreativität.
  • Oft einhergehend mit der Unfähigkeit, in der Freizeit abzuschalten.

Die 80:20-Regel: das Pareto-Prinzip

Auch im Zeitmanagement steht Perfektionismus den Erkenntnissen des Pareto-Prinzips – benannt nach dem italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto (1848–1923) – diametral entgegen. Der Pareto-Effekt (auch als 80:20-Regel bekannt) besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse in 20 Prozent der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. 20 Prozent der Aktivitäten sind demnach so wichtig, dass sie mit ihrer Erledigung 80 Prozent des Arbeitserfolgs ausmachen (Scherler, DiGiusto, 2014)? Natürlich gibt es Aufgaben, bei denen ein hundertprozentig perfektes Ergebnis nötigt ist. Aber ist dies bei allen Aufgaben wirklich unumgänglich?

Berücksichtigt man die 80:20 Regel, so ist es wichtig, dass man:

  • erkennt, welche Tätigkeiten zu den 20 Prozent gehören, die den meisten Erfolg bringen,
  • erkennt, welche Tätigkeiten ganz oder teilweise überflüssig sind,
  • diese überflüssigen Tätigkeiten ganz weglässt oder substantiell einschränkt,
  • lernt, Nein zu sagen, zu dem, was den Zielen und dem eigenen Wohlbefinden nicht förderlich ist.

Das kreative Chaos statt Perfektion nutzen

Perfektionisten haben oft Mühe im Umgang mit «kreativen Chaoten» und fühlen sich (oft zu Unrecht) diesen in vielen Bereichen des Lebens – vor allem auch im Zeitmanagement – überlegen.

Das Werk von Cordula Nussbaum mit dem Titel «Organisieren Sie noch oder leben Sie schon – Zeitmanagement für kreative Chaoten» (Nussbaum, 2017) deckt diese Thematik schonungslos auf. Die Autorin stellt die These auf, dass kreative Menschen oft Mühe mit Disziplin, Routinen, klaren Strukturen, Ordnung und dem Abarbeiten von To-do-Listen haben. Sie zeigt Wege auf, wie kreative Chaoten ihre Stärken besser nutzen und dennoch etwas organisierter durch das Leben schreiten. Dies ganz nach dem Motto: «Leben ist das, was passiert, während man plant».

Dem Perfektionismus den Kampf ansagen, ist ein Ansinnen, das aus Sicht der Autoren nicht nur für kreative Chaoten, sondern für alle Zeitmanager wichtig ist. Die folgende Checkliste hilft Ihnen dabei:

  • Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf und beginnen Sie bei jeder Aufgabenlösung mit groben Skizzen (Persolog, 2014).
  • Prüfen Sie, welcher Detaillierungsgrad sinnvoll und notwendig ist (die meisten Menschen tendieren zu einem zu grossen Detaillierungsgrad).
  • Überprüfen Sie, ob es sich wirklich bei Ihrer Arbeit um eine Verbesserung handelt und nicht um einen unnötigen Feinschliff.
  • Überlegen Sie, ob beim aktuellen Problem die Qualität oder die Zeit im Vordergrund steht. Oft ist nicht beides gleich wichtig.
  • Lernen Sie, eigene Fehler (und auch die Fehler der anderen) zu akzeptieren und darin eine Chance zu sehen. Gewöhnen sie sich eine gelassene Unvollkommenheit an. Akzeptieren sie, dass das Leben Unzulänglichkeiten, Macken, Ecken und Kanten hat. Nur wer diese akzeptiert und in sein eigenes Dasein integriert, lebt voll und ganz (Cerenek, o.J.).

Die Kräfte bündeln bei der Arbeitsplanung

Ähnliches gilt für unsere Zufriedenheit und unsere Wünsche: Versuchen Sie nicht an das zu denken, was sie noch nicht besitzen oder im Leben noch nicht gemacht haben. Denken Sie mehr an das, was Sie erreicht haben. Genug ist nie genug, und jeder erfüllte Wunsch zieht gleich eine weitere Reihe von kleinen oder noch grösseren Wünschen nach sich.

Dennoch sollte der Verzicht auf übertriebenen Perfektionismus kein Freipass für Schlendrian sein (Persolog, 2004):

  • Priorisieren Sie Ihre Aufgaben und bündeln Sie Ihre Kräfte. Weniger ist oft mehr!
  • Hinterfragen Sie Ihre Multitasking-Fähigkeiten kritisch, auf die Sie vielleicht so stolz sind: Wer zu viele Bälle in der Luft hat, läuft Gefahr, den Überblick zu verlieren.
  • Lösen Sie Aufgaben auf Anhieb korrekt, damit Sie diese nicht mehrmals in die Hand nehmen müssen.

Gewöhnen Sie sich diese Haltung an. Dann werden Sie feststellen, dass Perfektionismus der Feind des Guten ist, aber das «gut» sehr häufig «gut genug» ist. Das Leben wird so neue Qualitäten gewinnen und sie werden in Ihrem Job nicht schlechter sein, wenn Sie gut statt perfekt arbeiten; höchstwahrscheinlich sogar noch ein bisschen besser.


Die Autoren

Patrik Scherler, Dr. oec. HSG, ist Dozent für Betriebswirtschaftslehre an der School of Management and Law (ZHAW) in Winterthur und Inhaber der auf Coaching, Consulting und Connecting spezialisierten BENROX AG mit Sitz in Meilen/Zürich. Er ist Betreuer diverser Unternehmerforen, ERFA-Gruppen und Beiräte und organisiert Strategie- und Positionierungsworkshops.

Flavio Di Giusto, dipl. Betriebsökonom FH und MSc in Business Administration, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für innovative Didaktik (ZID) an der School of Management and Law (ZHAW) in Winterthur und lehrt Betriebswirtschaftslehre, wissenschaftliches Arbeiten und Projektmanagement.

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Quellen und Literaturhinweise:

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